Zubereitung:
Keine gute Küche ohne gute Zutaten. Auch bei den größten Küchen-
künstlern werden unter der Last von Brust vom Batteriehuhn und
Supreme von Surimi die Teller Traür tragen. Doch selbst ein
Durchschnittskoch kann mit einem Bressehuhn oder fangfrischem
Wolfsbarsch ein Festtagsmenü auf den Tisch bringen. Andererseits:
Aus der Vielfalt des Angebots die guten Waren auszuwählen ist nicht
einfach. Ein wenig schöner Schein, das richtige Licht an Fleisch-
und Fischtheke, fleckenloses Gemüse wie aus dem Bilderbuch - und
schon fragt kaum jemand mehr danach, ob die appetitlich dargebotene
Ware auch wirklich über das richtige Aroma verfügt. Ein
Armutszeugnis für den guten Geschmack, ein Grund zum Jubeln für
Nahrungsmittelmultis, die uns jedes Produkt möglichst bratfertig und
in Schnitzel oder Filets zerteilt unterjubeln möchten. Erfahrene
Einkäufer müssen sich trotzdem nicht gleich geschlagen geben. Wer
die Waren und ihre Qualitätszeichen kennt, kann genau wie ein
Spitzenkoch Erstklassiges auch für den heimischen Herd erwerben.
Beispiel Huhn: Die mit Fisch- und anderem Mehl gemästeten
Batteriehühner schmecken schlimmstenfalls nach Forelle. Alternative
sind Hähnchen aus Freilandhaltung, die während ihrer 81 bis 121 Tage
Lebensdauer mit Kräutern und Cerealien ernährt wurden. Edelster (und
teuerster) Vertreter dieser Gattung ist das Bresse-Huhn: 10
Quadratmeter müssen pro Vogel für artgerechten Auslauf zur Verfügung
stehen, zu fressen gibt es Wiesenkräuter, Mais und Buchweizen. Sie
sind kräftiger im Geschmack, ihr Fleisch hat eine festere Konsistenz
und, ganz allgemein ausgedrückt, mehr Charakter. Einmal im Plastik
eingepackt, kann man kaum erkennen, ob ein Huhn schmeckt -optimal
ist es deshalb, sein Tellertier erst beim Einkauf ausnehmen zu
lassen: Krallen am Hühnerfuss sprechen für Freilandhaltung. Weiteres
Indiz: Auf die Größe des Magens achten. Hat ein zwei Kilo-Vogel
einen haselnussgroßen Magen, handelt es sich wieder um ein
Batteriehuhn, das nur mit Brei auf sein Gewicht hochgemästet wurde.
Die doppelte Größe ist genau richtig. Beispiel: Seeteufel: Der auch
Lotte genannte Fisch ist dermassen hässlich, dass selbst seriöseste
Fischhändler nie seinen Kopf in die Vitrine legen würden. Frische
kann man so zwar nicht beim tiefen Blick in seine Augen erkennen,
wohl aber, wenn man sich auf das Fleisch konzentriert: Im
Idealzustand ist letzteres fast schneeweiß, das Blut hingegen schön
rot. Je länger die Lotte vor sich hin altert, desto gelber verfärbt
sich das Fleisch, das Blut des Fisches läuft dagegen langsam braun
an. Um die Qualität seines Tellertieres richtig beurteilen zu können,
sollte man deshalb tunlichst keine Filets kaufen. Warum auch?
Seeteufel verfügt nur über eine höchst stabile Zentralgräte, von der
sich die Filets im Nu herunterschneiden lassen. Beispiel Hummer:
Mögen Sie ihn rot oder blau? Der rote homarus armericanus kommt aus
Kanada oder von der Ostküste der USA. Sein (teuerer) Vetter, der
blaü homarus vulgaris oder bretonische Hummer ist vom Polarkreis
über England bis zu Marokkos Küsten zu Hause und ist alles andere
als vulgär: Sein Fleisch ist fester und gilt als wesentlich
wohlschmeckender. Erst beim Kochen verfärbt sich der blauschwarze
Panzer zum vertrauten Rot. Verglichen mit dem Kanadier verhält er
sich wie ein Fasan zu einem Hühnchen, meint etwa Annie Bizien,
Hummer-Grosshändlerin im französischen Carantec. Die Bretonen sind
wesentlicb teurer als ihre Artgenossen aus Übersee, ernähren sich
angeblich bevorzugt von anderen Hummern und laufen erst beim Grillen
oder pochieren rot an. Fanatische Hobbyköche müssen ihr Tellertier
lebend kaufen: Zangen, Augen, Beine, Antennen sollten sich lebhaft
bewegen -nur daran sieht man, dass der Hummer wirklich frisch ist.
Stumpfe Augen, Beine und Antennen zeigen, dass der Krustenkriecher
auf dem Weg von der Küste zum Fischhändler ordentlich gelitten hat.
Experten wie Olivier Rodlinger schwören auf Hummer zwischen 800
Gramm und 1,2 Kilo und verwenden wenn möglich Weibchen. Während die
kleineren Exemplare feiner und zarter schmecken, fallen ihre
größeren Artgenossen wilder und kräftiger aus. Das Geschlecht der
Tiere kann man durchaus erkennen, ohne Zoologe zu sein: Hummermänner
haben einen eher runden Leib, eine ihrer Scheren ist besonders
kräftig entwickelt. Weibliche Tiere hingegen verfügen über gleich
große Scheren und einen nach unten breit auslaufenden Leib. Selbst,
wenn man nur beste Ware ersteht, kann man beim Hummer einen Reinfall
erleben: Leidet der Krustenkriecher nämlich im Wasser, verliert sein
Fleisch an Aroma, wird baumwollartig. Tiefgefrorene Hummer sind
keine Delikatesse. Auch Hummer als Weihnachtsessen ist eher in
Missverständnis: Am besten schmeckt der blaü, europäische
Krustenkriecher ab Mai, in den Sommermonaten. Später wird er nicht
nur rarer, sondern kann auch wegen Häutungsvorbereitungen innerhalb
seines Krustenpanzers an Gewicht verlieren. Vorsicht, falls Ihnen im
Restaurant oder beim Händler der Hummer im Vivarium präsentiert
wird: Werden die Tiere nicht richtig ernährt, magern sie unter ihrem
Panzer deutlich ab - dann wird der homarus zur Mogelpackung. Der
Profi-Tip von Fischkoch Olivier Rodlinger aus dem bretonischen
Cancale: Je kürzer die Antennen, desto länger musste der Hummer im
Vivarium vegetieren. Hummer werden in Gefangenschaft zu Kannibalen
und knabbern mit Vorliebe die Antennen ihrer Artgenossen an.
Letztere sind so lang wie der Leib, wenn das Krustentier gefischt
wird. Sind die Antennen bis auf einen Zentimeter weggefressen,
wartet der Hummer schon ziemlich lange im Restaurant auf Kundschaft.
Beispiel Garnelen: Wie alle Krustentiere sollten, sie am besten
lebend erstanden und gekocht werden. Nach Möglichkeit auf intakte
Fühler achten! Mässige Ware erkennt, man daran, dass der Kopf
spielend leicht vom Leib zu entfernen ist. Chlor- und andere
unangenehme Gerüche verbieten sich von selbst. Beispiel Spargel:
Rund und zylindrisch sollte er sein. Wenn Spargel nach unten zuläuft,
beginnt er auszutrocknen und ist bereits vier bis fünf Tage alt.
Unten, also an der Schnittstelle, sollte er außerdem nicht zu
trocken sein. Selbst für Alltagsprodukte gibt es kleine Regeln: Die
braunen, faltigen Vanilleschoten etwa sollten biegsam, fleischig und
zart ausfallen, keinesfalls beim ersten Druck zerbrechen oder gar
ausgetrocknet sein. Lange Vanillestangen gelten als besser als kurze
Exemplare, sie werden von winzigen, weißen Kristallen (dem Vanillin)
bedeckt. Mässige Vanilleschoten verfügen über weniger Aroma, ihre
Haut ist oft heller, sie sind härter. Synthetische Vanille kann
geschmacklich mit der echten Variante kaum mithalten. Sicher, das
Suchen guter Ware ist Umständlicher als Einkaufswagen im nächsten
Supermarkt zu füllen. Teurer ist es meist auch -und für den Aufpreis
erhält man nicht einmal ein Statussymbol, wird weder schöner, noch
eleganter, noch wichtiger. Aber man gewinnt ein Stuck Lebensqualität
im Alltag.
: Quelle: Boulevardteil(Tageszeitung) v. Jörg Zipprick :
: erfasst v. Renate Schnapka am 22.06.99 :Notizen (**) : :
: Gepostet von: Renate Schnapka Stichworte: Sonstige Stichworte,
Grundrezept, Informationen, Info, :Notizen, (*), :, Quelle:, (**),
22, Erfaßt, Tip, 06, Am, 99, Renate, Gepostet, von:, Schnapka, v,
Jörg, Boulevardteil(Tagesz, Zipprick
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